5.
Oktober 2004 - 19. Oktober 2004
Budapest
– Istanbul
In
Budapest steuerten wir den Campingplatz in der Innenstadt an. Dieser
hatte aber bereits geschlossen und wir suchten ein billiges Hotel.
Zwanzig
Kilometer und zwei Stunden später gaben wir die Suche auf.
Wir
stellten unser Zelt schließlich in einem Park in Budapest auf.
Unglücklicherweise war heute Samstag und noch viele Menschen
unterwegs. Um 5:00 Uhr morgens bauten wir unser Zelt wieder ab.
Zwölf Kilometer weiter nördlich fanden wir einen Campingplatz
und wurden dort äußerst rührend umsorgt. Wir waren die
einzigen Gäste. Der Platzhüter besorgte uns Stühle,
einen Tisch, viele Prospekte und schließlich eine Waschmaschine.
Mit schwerem Herzen ließ er uns wieder gehen.
Das
Fahren in Ungarn war sehr angenehm. Es gab viele nette ruhige Menschen
und die Straße verlief durch meist ebenes Land, umgeben von
vielen Dörfern.
Hinter
der Grenze Ungarn – Rumänien bemerkten wir schnell die
Unterschiede. Ältere Autos, schlechtere Straßen und viele
recht verfallene Häuser. Begrüßt wurden wir
übrigens von zwei Kindern, die uns mit Steinen beworfen haben. Die
Unsitte scheint fast auf der ganzen Welt verbreitet zu sein.
Die
erste Nacht in einem neuen Land versuchten wir möglichst nicht
frei zu verbringen, da wir erst einmal die fremde Umgebung kennen
lernen wollten.
In
TIMISOARA suchten wir nach 165 km vergebens den Campingplatz. Es war
schon fast dunkel als wir in einem Hotel nachfragten. Aber 40 Euro
wollten wir für ein paar Stunden Schlaf einfach nicht ausgeben. In
der Innenstadt stillten wir unseren großen Hunger bei Mc Donalds.
Als wir draußen saßen wollte ein Mädchen von uns etwas
Geld. Da es jedoch nicht verarmt aussah, gaben wir ihr nichts. Beim
Losfuhren sahen wir das Mädchen mit einem kleinen Jungen die
hinter einen Mauer kauerten und vermutlich Klebstoff
mit einer kleinen Plastiktüte schnüffelten. Diese Bilder
kannten
wir nur aus dem Fernseher und waren geschockt. Uns taten die beiden
richtig
leid, aber wir waren auch darin bestärkt die Stadt schnell zu
verlassen.
Im Stockdunkeln fuhren wir noch 10 km aus der Stadt heraus und begaben
uns
blind auf ein Feld. Wir hatten Glück. Es eignete sich sehr gut zum
Zelten.
Am
nächsten Tag zeigte sich Rumänien von der schönen Seite.
Wunderschöne leicht hügelige Landschaft mit vielen kleinen
Dörfern. Unterwegs machten wir mit einer braunen Schlange
Bekanntschaft. Während wir nebeneinander fuhren und ich gierig
nach einem Keks von Thomas greifen wollte, meinte Thomas: „Vorsicht
eine Schlange!“ Als ich sie erblicken konnte befand sich genau zwischen
unseren Fahrrädern, die ja nur einen Meter auseinander waren. Die
Schlange war davon wenig begeistert. Sie hob verärgert
ihren Kopf und schaute uns nach.
Auf dem
Weg nach ORSOVA hielt ein deutsches Auto mit Wohnwagen neben uns an. Es
war Tommy aus Deutschland, ein ehemaliger Big – Brother – Bewohner, der
mit seinem Rollstuhl von Köln nach Istanbul unterwegs war. Hinter
seinem heutigen Startpunkt begleiteten wir ihn für zwei Stunden.
Er erzählte, dass er seine Tour mit einem Spendenmarathon
verbinden würde und ein Buch veröffentlichen möchte.
Seinen Vorschlag ihn bis Istanbul zu begleiten, lehnten wir schnell ab.
Mit 5 km/h die Stunde quälte er sich auf dem sehr rauen
Straßenbelag an der Donau entlang. Insbesondere die vorne
angebrachten Rollen von Inline-skates beeinträchtigten erheblich
den Fahrkomfort. Sie verursachten enorm hohe Rollgeräusche und
eine Rüttelmassage gratis. Auf dem Fahrrad war es doch erheblich
komfortabler. Wir hatten großen Respekt für sein
Durchhaltevermögen. Nach 130 km trafen wir seinen Begleiter, der
Tommy zum Abend von der Straße abholte.
Starker
Ost-Wind! Wir hatten schwer zu kämpfen die Donau-Fähre nach
Bulgarien am Abend zu erreichen. Bei 10°C schlichen wir erstmals
mit
Handschuhe, Mütze und Jacke dahin. In BECHET mussten wir zusammen
mit vielen LKWs noch eine Stunde warten. Auf der Fähre peitsche
uns
der Wind und vor allem das Donauwasser ins Gesicht. Ein LKW-Fahrer
hatte
Mitleid und lud uns in sein Fahrzeug ein. Er war Niederländer
türkischer Abstammung und sagte: “In Rumänien und Bulgarien
gibt es sehr viele schlechte Menschen“ Besonders im Dunkeln sei es sehr
gefährlich. Wir nahmen die Warnungen ernst, aber wir hatten
Hoffnung, dass diese Beurteilung eher von seiner türkischen
Abstammung herrührt.
Im
Dunkeln suchten wir auf der bulgarischen Seite in ORJAHOVO eine
Unterkunft. Auf Anhieb fanden wir ein kleines Hotel. Ein netter Mann
zeigte uns unser Zimmer, das vermutlich mal ein Wohnzimmer war.
Bücherschrankwand,
Fernseher, Tisch, Sessel und vor allem eine Heizung, die wir dringend
benötigten, waren vorhanden.
Morgens
der Schock! „Die Fahrräder sind weg!“ Wir hatten sie im Hinterhof
abgestellt, doch da war nichts mehr. Ich rannte ins Haus zum Hotelier.
In aller Ruhe begab er sich auf den Hinterhof zog einen Schlüssel
aus seiner Hose und öffnete die Tür des Restaurant und da
standen sie. Wir konnten es kaum fassen, für uns waren sie schon
über alle Berge.
Am
Morgen trafen wir noch einen Deutschen Professor mit seinem Neffen, die
hier in einer Schule Computer einrichteten. Wir frühstückten
zusammen und wir erzählten von unserer geplanten Reise. Auch sie
waren
begeistert und schenkten uns eine neue Straßenkarte von
Bulgarien,
die wir dringend benötigten.
Bei
4°C fuhren wir nach LOVEC. Das Übernachten gestaltete sich
hier wesentlich schwieriger. Es gab nur ein riesiges 4-Sterne
Stadthotel und zwei kleine Hotels, die angeblich vollständig
belegt waren. Wir hatten große Zweifel daran und vermuteten, dass
sie keine Ausländer wollten, da Ausländer sehr
umständlich bei den Behörden angemeldet werden mussten. Wir
fuhren wieder aus der Stadt und schlugen unser Zelt
hinter einem Wall auf.
Bei
weiterhin kaltem Wetter fuhren wir die ersten Steigungen in Richtung
Balkan – Gebirge hoch. In SEVLIEVO angekommen das übliche Bild.
Das Stadthotel war zu teuer, ein Motel hatte kein Zimmer mehr frei.
Nach weiteren 40 km waren wir in GABROVO. Auf dem Stadtplan suchten wir
nach einer Unterkunft und fanden eine Schule, die als
Übernachtungsplatz verzeichnet war. Die Schule lag auf einem Berg
hoch über der Stadt und war im üblichen Plattenbaustil
errichtet worden. Dort angekommen sahen wir viele Schüler.
Vermutlich war es doch eher ein Internat. An der Rezeption saß
eine Lehrerin wie sie im Buche steht. Ihre Haare streng zurück
gekämmt, eine große Brille und sehr korrekt in ihren
Anweisungen.
Aufgrund
des bulgarischen Gesetzes müssen sich Ausländer alle 48
Stunden bei der Polizei melden und ihren Aufenthaltsort angeben. Diese
Vorschrift stand auf einem Zettel, den wir bei der Einreise bekamen.
Wir wussten
aber nicht wie streng dies ausgelegt wird. Normalerweise erledigt das
Anmelden das Hotel, aber leider nur die großen Stadthotels.
Glücklicherweise füllte die korrekte Lehrerin alles
sorgfältig aus und wir bekamen eine Bestätigung.
Am
frühen Morgen waren bereits die Schüler unterwegs. Wir waren
sehr froh ihnen nicht folgen zu müssen und weiter unseren Weg nach
Istanbul fortzusetzen zu können. Vorerst war der Balkan zu
bezwingen. Der 1306 m hoher Pass war relativ leicht zu bezwingen. Oben
angekommen waren wir urplötzlich mitten in den Wolken und hatten
auf der anderen Seite des Gebirges bei der Abfahrt einen fantastischen
Blick auf das flache Land südlich des Balkans. Ziemlich
durchgefroren kamen wir in KAZANLAK an und das Thermometer stieg von
7°C auf 18°C. Bei STARA ZAGORA
bogen wir nach Osten ab in Richtung RADNEVO und beschlossen dort frei
zu
zelten. An einem Fluss fanden wir einen perfekten
Übernachtungsplatz
und beschlossen den Tag mit Spaghetti in Tomatensauce.
Mit
sehr großer Freude war unser Ziel heute die Türkei. Je
näher wir der Türkei kamen stieg das Thermometer auf 22°C
und bei uns kam Urlaubsstimmung auf. An der Grenze wurden wir acht mal
kontrolliert. Jeweils vier mal auf beiden Seiten. Gleich hinter der
Grenze wurden wir
mit Hupkonzerten empfangen. Viele Leute lächelten und winkten uns
zu.
Ein Autofahrer hielt neben uns und fragte, ob wir Zwillinge seien.
Wirklich
gut erkannt!
Im
Vergleich zu Bulgarien fühlten wir uns hier wie im Paradies. In
EDIRNE fanden wir sofort ein gutes und preisgünstiges Hotel.
Nebenan
konnten wir uns mit 35 Cent Dönern die Bäuche voll schlagen.
Nach
einem Monat auf Tour erreichten wir am 19.10.05 ISTANBUL. Die Stadt war
für uns ein besonderes Ziel. Istanbul war für uns nicht nur
das Tor nach Asien, sondern auch von uns die am meist besuchteste
Stadt.
Bereits zum sechsten mal waren wir hier. Zum zweiten mal mit dem
Fahrrad,
einmal mit dem Flugzeug und zwei mal mit unseren Eltern per Auto.
Direkt
am Feuerturm an der Universität fanden wir ein günstiges
Hotel,
das von einem Hotelwirt betrieben wurde, der 25 Jahre in Deutschland
lebte.
Er begrüßte uns mit einem kalten Bier und gab uns
Ratschläge
für unseren weiteren Tourenverlauf. Zu Hause hatten wir uns
vorgenommen,
die Türkei an der Schwarzmeerküste zu durchqueren. Er riet,
aufgrund
des Regens und der Kälte, dringend davon ab. Zudem ist die Strecke
wesentlich hügeliger. Im weiteren Verlauf sollten wir noch viele
Routenvorschläge
bekommen. Dabei entpuppte sich jeweils die Heimatstadt des Ratgebers
als
die schönste Route mit den angenehmsten Klimabedingungen.
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